Die Strudlhofstiege
"Als Mary K.s Gatte noch lebte, Oskar hieß er, und sie selbst noch auf zwei sehr schönen Beinen ging (das rechte hat ihr, unweit ihrer Wohnung, am 21. September 1925 die Straßenbahn über dem Knie abgefahren), tauchte ein gewisser Doktor Negria auf, ein junger rumänischer Arzt, der hier zu Wien an der berühmten Fakultät sich fortbildete und im Allgemeinen Krankenhaus sein Jahre machte."
Rrumms. Das ist ein Anfang. Mit diesem Satz beginnt "Die Strudlhofstiege" von Heimito von Doderer. Erschienen 1951, erarbeitet in Jahrzehnten, umstritten wg. der Biographie des Autors, Zwischenstand und Vorspiel zu dem noch umfangreicheren Werk "Die Dämonen", genial.
Geläufig war mir schon länger der Titel, vielleicht vom Stöbern in Buchhandlungen. Stand und steht dort breit, unübersehbar, beim Durchgehen der Regale stößt man unweigerlich auf das Buch. Sagte mir aber weiter nichts, bis ich es eines Tages zur Hand nahm, diesen ersten Satz las und nicht mehr loskam. Das ist jetzt schon einige Jahre her, die 900 Seiten las ich damals in einem Rutsch (der einige Wochen in Anspruch nahm). Geblieben ist mir dieser Anfang und eine grobe Vorstellung von der Handlung. Diese wurde später überlagert von der Lektüre von "Die Dämonen", noch umfangreicher, noch vielfältiger, farbiger, eine Erweiterung, eine Basis, ein Mantel für "Die Strudlhofstiege".
Ich will und kann hier nicht den Inhalt wiedergeben, das führte zu weit und die Lektüre ist auch schon zu lange her. Es geht wie oft um Liebe oder das, was man dafür hält, um Beziehungen in vielfältiger Weise und um die Gesellschaft in ihren verschiedenen Facetten. Die Handlung spielt im Wien der zwanziger Jahre, im reicheren und im nicht ganz so armen Milieu, unter Künstlern und Zwielichtigen. Es geht um die täglichen Nöte, die seelischen Nöte, um Betrug und Erlösung. Beginnend und endend mit dem Paukenschlag des Straßenbahnunfalls windet sich der Erzählungsfaden zurück und vor, nimmt vorweg, holt ein und kommt auf den Punkt.
Was mich gefangen nahm und faszinierte, war und ist die sprachlich gewandte, kritische, aber liebevoll treffende Charakterisierung der Personen und der Gesellschaft. Doderer kennt die Leute und ihr Leben, ist ein genauer Beobachter und kann seine Beobachtungen und Ideen in lebendigen Sätzen und Wortkombinationen wiedergeben. Und gleichzeitig schwebt in den Formulierungen auch immer ein leiser Hauch Ironie, man muss das Geschehen und die Gefühle und Handlungen der Menschen nicht ganz so ernst nehmen, der Autor zwinkert mit dem Auge und ich zwinkere zurück, und manches bleibt offen, undefiniert.
Und er erfindet ein Sammelsurium an Charakteren, Lebenslinien und Verflechtungen. Aber vielleicht ist das alles gar keine Erfindung. Als ich las, hatte ich das Gefühl, die Leute zu kennen, ähnliches selbst einmal oder bei Freunden und Verwandten erlebt zu haben, dabei gewesen zu sein, nein, tatsächlich dabei zu sein. Ganz nah waren mir alle. Ich erinnere mich: als ich dann mit dem Buch durch war, kam eine tiefe Traurigkeit, ein Abschiedsschmerz, mit der traurigen Gewissheit, von Melzer, der Hauptfigur, und seinen weiteren Schicksalen und Entwicklungen nie mehr etwas erfahren zu können. Er trat aus der Geschichte heraus in sein eigenes Leben und ließ mich zurück.
Wenn ich die Zeit hätte, würde ich mich wieder daran begeben, um Sätze zu finden, wie:
"Sein Klingeln klang kurz und scharf, als schlüge man eine Scheibe ein.."
"..einsam an diesem in die eigene Wärme gestürzten Sommertage der zweiten Hälfte des August."
"Der Sommermorgen schien zu zögern, jetzt um halb zehn Uhr am Vormittage noch."
"Wenige Tage später begann auch ihn zweimal täglich die Post-Charybdis in Ein-Zügen und Aus-Stößen, die regelmäßig wechselten, wie die Gezeiten des Meeres, zu schlucken und wieder auszuspeien: als nämlich die ersten Briefe ..."
bis zum Ende, das, etwas kryptisch, verkündet:
"..'Glücklich ist vielmehr derjenige, dessen Bemessung seiner eigenen Ansprüche hinter einem diesfalls herabgelangten höheren Entscheid so weit zurückbleibt, daß dann naturgemäß ein erheblicher Übergenuß eintritt.' Was soll man hier noch sagen!"
Rrumms. Das ist ein Anfang. Mit diesem Satz beginnt "Die Strudlhofstiege" von Heimito von Doderer. Erschienen 1951, erarbeitet in Jahrzehnten, umstritten wg. der Biographie des Autors, Zwischenstand und Vorspiel zu dem noch umfangreicheren Werk "Die Dämonen", genial.
Geläufig war mir schon länger der Titel, vielleicht vom Stöbern in Buchhandlungen. Stand und steht dort breit, unübersehbar, beim Durchgehen der Regale stößt man unweigerlich auf das Buch. Sagte mir aber weiter nichts, bis ich es eines Tages zur Hand nahm, diesen ersten Satz las und nicht mehr loskam. Das ist jetzt schon einige Jahre her, die 900 Seiten las ich damals in einem Rutsch (der einige Wochen in Anspruch nahm). Geblieben ist mir dieser Anfang und eine grobe Vorstellung von der Handlung. Diese wurde später überlagert von der Lektüre von "Die Dämonen", noch umfangreicher, noch vielfältiger, farbiger, eine Erweiterung, eine Basis, ein Mantel für "Die Strudlhofstiege".
Ich will und kann hier nicht den Inhalt wiedergeben, das führte zu weit und die Lektüre ist auch schon zu lange her. Es geht wie oft um Liebe oder das, was man dafür hält, um Beziehungen in vielfältiger Weise und um die Gesellschaft in ihren verschiedenen Facetten. Die Handlung spielt im Wien der zwanziger Jahre, im reicheren und im nicht ganz so armen Milieu, unter Künstlern und Zwielichtigen. Es geht um die täglichen Nöte, die seelischen Nöte, um Betrug und Erlösung. Beginnend und endend mit dem Paukenschlag des Straßenbahnunfalls windet sich der Erzählungsfaden zurück und vor, nimmt vorweg, holt ein und kommt auf den Punkt.
Was mich gefangen nahm und faszinierte, war und ist die sprachlich gewandte, kritische, aber liebevoll treffende Charakterisierung der Personen und der Gesellschaft. Doderer kennt die Leute und ihr Leben, ist ein genauer Beobachter und kann seine Beobachtungen und Ideen in lebendigen Sätzen und Wortkombinationen wiedergeben. Und gleichzeitig schwebt in den Formulierungen auch immer ein leiser Hauch Ironie, man muss das Geschehen und die Gefühle und Handlungen der Menschen nicht ganz so ernst nehmen, der Autor zwinkert mit dem Auge und ich zwinkere zurück, und manches bleibt offen, undefiniert.
Und er erfindet ein Sammelsurium an Charakteren, Lebenslinien und Verflechtungen. Aber vielleicht ist das alles gar keine Erfindung. Als ich las, hatte ich das Gefühl, die Leute zu kennen, ähnliches selbst einmal oder bei Freunden und Verwandten erlebt zu haben, dabei gewesen zu sein, nein, tatsächlich dabei zu sein. Ganz nah waren mir alle. Ich erinnere mich: als ich dann mit dem Buch durch war, kam eine tiefe Traurigkeit, ein Abschiedsschmerz, mit der traurigen Gewissheit, von Melzer, der Hauptfigur, und seinen weiteren Schicksalen und Entwicklungen nie mehr etwas erfahren zu können. Er trat aus der Geschichte heraus in sein eigenes Leben und ließ mich zurück.
Wenn ich die Zeit hätte, würde ich mich wieder daran begeben, um Sätze zu finden, wie:
"Sein Klingeln klang kurz und scharf, als schlüge man eine Scheibe ein.."
"..einsam an diesem in die eigene Wärme gestürzten Sommertage der zweiten Hälfte des August."
"Der Sommermorgen schien zu zögern, jetzt um halb zehn Uhr am Vormittage noch."
"Wenige Tage später begann auch ihn zweimal täglich die Post-Charybdis in Ein-Zügen und Aus-Stößen, die regelmäßig wechselten, wie die Gezeiten des Meeres, zu schlucken und wieder auszuspeien: als nämlich die ersten Briefe ..."
bis zum Ende, das, etwas kryptisch, verkündet:
"..'Glücklich ist vielmehr derjenige, dessen Bemessung seiner eigenen Ansprüche hinter einem diesfalls herabgelangten höheren Entscheid so weit zurückbleibt, daß dann naturgemäß ein erheblicher Übergenuß eintritt.' Was soll man hier noch sagen!"
DerDeutsche - 28. Jun, 16:05
Herzlich und dankend
Ihre FrauvonWelt